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Agrarforschung
Entwicklung von Verbundwerkstoffen aus nativen Stärken und linearen
Poly(Urethanen) sowie deren Verarbeitung zu Halbzeugen und Formteilen

Prof. Dr. Ing. H.G. Fritz, Universität Stuttgart, Institut für Kunststofftechnologie (IKT)

Problemstellung

In jüngerer Zeit ist ein zunehmendes Interesse an Thermoplasten festzustellen, die zu einem möglichst hohen Anteil auf nachwachsenden Rohstoffen (NaWaRo) basieren. Dabei wird der nachwachsende Rohstoff nicht nur, wie häufig beim Stärkeeinsatz, zur Reduzierung des Werkstoffpreises eingesetzt, sondern erfüllt in vielen Fällen auch eine bestimmte Funktion. Bei der Entwicklung von biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW) steht oftmals die im Vergleich zu einer synthetischen Alternative bessere bzw. schnellere Abbaubarkeit im

Vordergrund des Interesses. Auf der anderen Seite ermöglicht die Einarbeitung hochpolarer Stärkesubstanzen in Polyolefine beispielsweise deren Fügbarkeit mittels HF-Schweißverfahren sowie deren Bedruckbarkeit ohne oder zumindest mit reduziertem Corona-Einsatz. Wie diese wenigen Beispiele bereits zeigen, kann die Kombination aus synthetischen Polymeren und Biopolymeren interessante Werkstoffe mit neuen Eigenschaften und einem ‘grünen’ Image hervorbringen. Die Motivationen zur Schaffung neuer kompostierbarer Verbundwerkstoffen sind in Bild 1 zusammengefaßt.

Kompostierbare Materialien :
Neue Müllentsorgungswege können implementiert werden, sofern die Müllverbrennung und das Recycling nicht durchführbar sind.

Synthetische Polymere:
z.B. TPU

 

Biopolymere:
z.B. Stärke

  • Die Eigenschaften, die Verarbeitbarkeit und die Abbaurate der Werkstoffe können eingestellt werden,
    in einigen Fällen:akzeptables Preis/Leistungs-Verhältnis für die anvisierten Anwendungen.

 

  • Preiswert, sofern eine Modifizierung nicht notwendig und die Isolierung derartiger Stoffe einfach ist,
    CO 2 -neutral,
    biologisch abbaubar,
  • Image ( Na ch wa chsender Ro hstoff),
    neue Anwendungen für NaWaRo.

Bild 1: Motivationen zur Schaffung neuer kompostierbarer Verbundwerkstoffe auf der Basis von synthetischen Polymeren und Biopolymeren

 

Bei der Auswahl von synthetischen Polymeren (z.B. thermoplastische Polyurethane ® TPU) spielt insbesondere die im Vergleich zu Biopolymeren gute Verarbeitbarkeit derartiger Werkstoffe auf gängigen Maschinen der Kunststofftechnologie und ein in vielen Fällen akzeptables Preis-Leistungsverhältnis eine entscheidende Rolle. Die Einbeziehung regenerativer Rohstoffe bei der Polymerwerkstofferzeugung schont zumindest partiell die begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffressourcen, schafft zusätzliche Absatzmärkte für die Landwirtschaft und reduziert durch deren CO 2 -Neutralität die den "Treibhauseffekt" induzierenden Kohlendioxidemissionen.

Ziel

Gesamtziel dieses Forschungsvorhabens war die Entwicklung einer Familie innovativer, biologisch abbaubarer Polymerwerkstoffe mit guten Materialeigenschaften, die einen Verbund aus thermoplastischen Polyurethanen (TPU) als Matrix und nativer Stärke als Füllstoff darstellen. Parallel zur Werkstoffentwicklung sollte eine Optimierung der Verfahrens- und Anlagentechnik zur effizienten Gestaltung des Compoundierprozesses durchgeführt werden. Ferner sollten die resultierenden, neuartigen Verbundwerkstoffe umfassend charakterisiert werden. Schließlich sollten Grundlagen zur Verarbeitung der Werkstoffe geschaffen werden, wobei die Erzeugung von Flächenprodukten im Vordergrund des Interesses stand. Eine zentrale Frage bei der Entwicklung von kompostierbaren Verbundwerkstoffen ist die biologische Abbaubarkeit der eingesetzten Matrizes und deren Stärke-Compounds, was ebenfalls im Rahmen dieses Projekts untersucht werden sollte.

Ergebnisse

Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurden neue, biologisch abbaubare Verbundwerkstoffe auf der Basis thermoplastischer Poly(Ester-Urethane) (TPU) und nativer Stärken entwickelt, die vielfältige Vorzüge aufweisen:

Ein Anteil nachwachwachsender Rohstoffe (NaWaRo) von bis zu 85 Gew.% ist realisierbar, sofern die Polyolkomponente ebenfalls aus NaWaRo erzeugt wird. Die Anteile nativer Stärke liegen bei. f Stärke £ 70 Gew.%.

Die Eigenschaften lassen sich in weiten Grenzen variieren (vgl. Tabelle 1) und sind weitgehend unabhängig von der Umgebungsfeuchte.

Es lassen sich sowohl Formteile als auch Folien herstellen.

Die Werkstoffe sind, falls erwünscht, kompostierbar.

Die TPU/Stärke-Verbunde zeichnen sich durch eine ansehnliche Bedruck- und Einfärbbarkeit aus.

Die Schweiß- und Siegelbarkeit ist gut.

Die daraus hergestellten Produkte zeigen eine hohe Abriebfestigkeit.

Die wichtigsten Eigenschaften dieser neuen Werkstoffklasse im Vergleich zu Polyolefinen und zu biologisch abbaubaren Poly(Ester-Amiden), z.B. BAK1095 der Bayer AG sowie Verarbeitungshinweise sind nachfolgend stichwortartig und tabellarisch (Tabelle 1) zusammengestellt. Eine Bewertung der Ergebnisse und Hinweise auf mögliche Anwendungsfelder derartiger Materialien runden diese Kurzfassung zum Abschlußbericht ab.

Eigenschaft

-

TPU/Stärke*

PE

PP

BAK1095

Zugfestigkeit

Reißdehnung

E-Modul

Härte

max. Gebrauchs-Temperatur

Dichte

Schlagzähigkeit

[MPa]

[%]

[MPa]

Shore A

Shore D

[°C]

[g/cm³]

[kJ/m²]

16 - 35

4 - 180

100 - 1750

-

» 55

<80

1,31 - 1,39

8 - 29

40 - 500

200 - 1400

> 70

-

60 - 80

0,916 - 0,96

21 - 37

20 - 800

1100 - 1300

-

-

80 - 120

0,905 - 0,907

25

400

240

-

-

-

1,07

ohne Bruch bei RT

Tabelle 1:Eigenschaften der neuen Werkstoffverbunde (TPU/Stärke) im Vergleich zu PO und dem BAK1095 der Fa. Bayer AG*50 Gew.% native Stärke; RT: Raumtemperatur

 

Die in Tabelle 1 aufgeführten Eigenschaften der TPU/Stärke-Compounds sind dabei als eine Zusammenfassung aller durchgeführten Versuche zu sehen. D.h., daß die Daten auch auf Verbundwerkstoffen basieren, zu deren Herstellung nicht-kompostierbare TPU eingesetzt wurden. Die Daten aus Tabelle 1 spiegeln die große Variationsbreite bei den mechanischen Eigenschaften von TPU-/Stärke-Verbunden wieder. Dabei wurden folgende Beobachtungen gemacht:

Die Einarbeitung von nativen Stärken in TPU-Matrizes führt zu einer beachtlichen Reduktion der TPU-Zugfestigkeit.

Die Applikation von Coatings auf der Stärke-kornoberfläche bringt keine entscheidenden Verbesserungen, da zur Steigerung der Reaktivität zwischen den Agenzien und der Stärke keine Katalysatoren eingesetzt werden können, weil diese gleichzeitig die Hydrolye des Esters des thermoplastischen Polyurethans katalysieren.

Härtere Matrizes liefern in Verbindung mit den harten Stärkekörnern die höchsten Zugfestigkeiten.

Höhere mittlere Molmassen ( W) des Esters liefern hydrophilere TPU-Typen, was in Verbindung mit den sehr polaren Stärken zu einem geringeren Zugfestigkeitsabfall führt.

Aufgrund der im Vergleich zu den TPU-Matrizes (r » 1,2 g/cm³) höheren Dichte der Stärke (r » 1,46 g/cm³), erhöht sich die Dichte der Compounds mit zunehmendem Stärkegehalt.

Zudem wurde im Rahmen dieses Forschungsvorhabens aufgezeigt, wie die biologische Abbaubarkeit von Verbundwerkstoffen auf der Basis von TPU und nativen Stärken erreicht wird, so daß die strengen Kriterien des Entwurfs der DIN 54900 vom Januar 1997 erfüllt werden. Die Verarbeitbarkeit dieser neuen Werkstoffe mittels der Techniken des Spritzgießens und der Extrusion zur Herstellung von Formkörpern bzw. Flach- und Schlauchfolien wurde ebenso dokumentiert.

Konsequenzen für die Praxis:

Mit den neu geschaffenen Verbundwerkstoffen auf der Basis von thermoplastischen Poly (Ester-Urethanen) und nativen Stärken steht eine Klasse von Polymerwerkstoffen zur Verfügung, die zur Herstellung von kompostierbaren Formteilen und Halbzeugen herangezogen werden kann.

Literatur

Siehe Abschlußbericht

Fördernde Institution
MLR

Förderkennzeichen
22-9410


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