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Agrarforschung
Steigerung der Leistungsfähigkeit und Vitalität von Pflanzgut
aus Baumschulen

Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Botanisches Institut
I. Kottke und F. Oberwinkler                                                           
Juli 1988 - Juni 1994

Problemstellung

Die Aufforstung zerstörter Waldgebiete und stillgelegter landwirtschaftlicher Flächen erfordert leistungsfähiges, streßresistentes Pflanzgut. Der forstlicherseits angestrebte, naturnahe Rückbau der heimischen Wälder soll durch vermehrte Pflanzung von Buche und Eiche geschehen, deren Anzucht und Auspflanzung aber erhebliche Probleme bereitet. Die Schwierigkeiten beginnen mit der unregelmäßigen Samenproduktion, Probleme bei der Lagerung des Saatgutes und der langen Verweildauer der Pflanzen (2-3 Jahre) in der Baumschule und reichen bis zu einem erheblichen Pflanzschock, den insbesondere Buchen erleiden. Die Anzucht von Buchen und Eichen ist daher auch mit erheblichen Kosten verbunden.

Unter natürlichen Bedingungen sind alle Waldbäume mykorrhiziert, d. h. sie leben in einer Wurzelsymbiose mit bestimmten Pilzen. Diese Symbiose ist sowohl für die Versorgung mit Nährstoffen und Wasser als auch für eine ausreichende Streßresistenz der Bäume lebensnotwendig. Bei der herkömmlichen Anzucht von Jungpflanzen in Baumschulen unterbleibt aber häufig eine ausreichende Mykorrhizierung, da die verwendete Düngermenge zu hoch, die Bewässerung zu intensiv, das Substrat für das Pilzwachstum ungeeignet oder einfach keine geeigneten Pilzpartner vorhanden sind. Derartige Pflanzen sind äußerst anfällig, die Ausfallrate daher hoch. Eine Steigerung der Streßresistenz kann durch eine gezielte Mykorrhizierung erreicht werden. Da hierbei die Düngergaben aber reduziert werden müssen, bleiben die Pflanzen häufig kleiner, was wiederum Probleme für die Forstpraxis bereitet.

Ziel

Es sollte untersucht werden, ob sich ein in Frankreich (INRA Nancy) entwickeltes Konzept zur Anzucht von Forstpflanzen in Foliengewächshäusern mit zusätzlicher Mykorrhizierung auch für Buche und Eiche unter unseren klimatischen und edaphischen Bedingungen eignet. Es sollten sowohl die Anzuchtbedingungen in einem Foliengewächshaus als auch die Leistungsfähigkeit und Streßresistenz der Buchen und Eichen nach Auspflanzen in Acker- und Waldboden geklärt und ein praxisrelevantes Anzuchtkonzept entwickelt werden.

Untersuchungsmethode

In der Forstbaumschule Goldboden, Forstbezirk Schorndorf, Forstdirektion Stuttgart, wurden Foliengewächshäuser nach französischer Konzeption errichtet (INRA Nancy, Dr. LeTacon, Dr. Garbaye), von denen eines für die Untersuchungen zur Verfügung stand. Es wurden jährlich (1988 - 1994) Samen von Buche (Fagus sylvatica) und, soweit verfügbar, auch von Eiche (Quercus robur) und gleichzeitig Myzel des Kahlen Kremplings (Paxillus involutus) in Torfsubstrat eingebracht. Die Anzucht des Pilzinokulats in Perlite/Sphagnum in Glasflaschen wurde variiert bis eine optimale Variante zur Verfügung stand. Es wurden 10 verschiedene, eigene Isolate des Kahlen Kremplings getestet, sowie ein australischer Stamm des Pilzes. Zusätzlich wurden Versuche mit verschiedenen anderen Mykorrhizapilzarten durchgeführt, die sich aber durchweg als nicht ausreichend wüchsig oder unter den Anzuchtbedingungen mykorrhizierungsfähig erwiesen. Im Laufe der Untersuchungsjahre wurde Schwarz- und Weißtorf mit verschiedenen Düngevarianten in der Anzucht erprobt. Größe und Zustand der Pflanzen, Entwicklung des Wurzelsystems und Mykorrhizierungsrate wurden mehrfach erhoben.

Die Setzlinge wurden am Ende der ersten Vegetationsperiode entnommen, jeweils über den Winter eingeschlagen und im Mai des folgenden Jahres auf Ackerland (Rosenau, Botanisches Institut Tübingen) und Strumwurfflächen (Schorndorf, Bebenhausen) ausgebracht. Die Weiterentwicklung wurde über ein bzw. zwei Jahre hinweg beobachtet, wobei neben Größe und Zustand der Pflanzen auch die Art der Mykorrhizierung untersucht wurden. Neben morphologischen Unterscheidungskriterien wurden im letzten Jahr auch molekularbiologische Verfahren zur Identifizierung der Mykorrhizapilzstämme eingesetzt.

Ergebnis

1. Für die Anzucht von Eichen und Buchen war Weißtorf weit besser geeignet als Schwarztorf. Eine Sterilisation mit Methylbromid hatte keine positiven Wirkungen und ist unter bestimmten Bedingungen eher nachteilig, da sie die antagonistische Mikroflora unterdrückt. Dämpfen ist eine besser geeignete Methode. Der inokulierte Kahle Krempling überlebte diese Behandlung, vermutlich weil er Dauerstadien (Sklerotien) bilden kann.

Die herkömmliche Düngerdosis (75 g/m³ N/P/K) mußte auf ½ bis ¼ reduziert werden, um eine optimale Mykorrhizierung (30 bis 60% mykorrhizierte Feinstwurzeln ) zu erreichen. Gegenüber ungedüngten Varianten konnte das Sproßwachtum der Pflanzen auf eine ausreichende Größe (25-35 cm) gebracht werden. Für Buche erwies sich Hornmehl als (70 g/m³) optimaler Dünger, da er offensichtlich von den Pilzhyphen aufgeschlossen werden kann. Mykorrhizierte Pflanzen hatten kleinere, derbere Blätter und wurden von Läusen kaum befallen. Der Pestizideinsatz konnte daher erheblich reduziert werden.

2. Mykorrhizierte Pflanzen waren am Ende der Anzuchtperiode (Oktober) zwar kleiner als stärker gedüngte, nicht mykorrhizierte Kontrollpflanzen, jedoch i. d. R. größer als gleich gering gedüngte. Die Knospenentwicklung der mykorrhizierten Pflanzen war zum Zeitpunkt der Entnahme aus dem Gewächshaus wesentlich weiter fortgeschritten, weshalb diese Pflanzen sowohl die Winterruhe im eingeschlagenen Zustand als auch den Pflanzschock hochsignifikant besser überlebten. Eine Vormykorrhizierung von 30 bis 50% erwies sich als ausreichend, um den Pflanzschock in Form von erheblichem Zurücktrocknen der Triebspitzen und die Überlebensrate insgesamt hochsignifikant zu steigern. Dies trifft insbesondere für die Entwicklung der Pflanzen auf der Ackerfläche zu, gilt aber in etwas weniger spektakulärer Weise auch für die Pflanzen im Waldboden. Buchen wurden noch deutlicher begünstigt als Eichen, die eine größere individuelle Variabilität des Wachstums zeigten. Die vormykorrhizierten Pflanzen waren am Ende der ersten Vegetationsperiode nach dem Auspflanzen größer als die nicht mykorrhizierten. Dieser Trend setzte sich im zweiten und dritten Jahr fort. Das bessere Überleben und der verstärkte Austrieb trat auch bei Auspflanzung zwischen dichte, hohe Grasbestände auf, die insbesondere auf den Kahlflächen aufkommen.

Der eingesetzte Mykorrhizapilz (Kahler Kremplin, Paxillus involutus) überlebte nach der Auspflanzung (bisher zwei Jahre). Zusätzlich traten Mykorrhizen von bodenbürtigen Pilzen hinzu. Vormykorrhizierte Wurzelsysteme wurden schneller besiedelt als nicht vormykorrhizierte, im Waldboden erwartungsgemäß rascher als im Ackerboden. Die Vormykorrhizierung mit einem weit verbreiteten, aber i. d. R. nicht dominierenden Mykorrhizapilz fördert somit das Ansiedeln bodenbürtiger Arten. Die Artenvielfalt eines Standortes wird damit nicht beeinträchtigt.

Konsequenzen für die Praxis

Das im Rahmen des Forschungsprojektes erprobte Verfahren zur Mykorrhizierung von Forstpflanzen kann insbesondere für die Anzucht von Buchen empfohlen werden. Zur Düngung der Anzuchtbeete ist Hornmehl am besten geeignet und gleichzeitig umweltschonend. Das Pilzinokulat bleibt auch bei Dämpfen der Beete erhalten und muß daher nicht jährlich erneuert werden. Die Mehrkosten, die durch die Foliengewächshäuser und den evtl. käuflichen Erwerb des Inokulates entstehen, können durch den äußerst geringen Verlust an Pflanzen und den verminderten Pestizid- und Düngeeinsatz voraussichtlich mehr als ausgeglichen werden. Das von uns verwendete Isolat ist derzeit jedoch noch nicht im Handel erhältlich.

Literatur:
  • Herrmann S, Ritter T, Kottke I, Oberwinkler F (1992) Steigerung der Leistungsfähigkeit von Forstpflanzen (Fagus silvatica L. und Quercus robur L.) durch kontrollierte Mykorrhizierung. Allg. Forst- u. J.-Ztg. 163: 72-79
  • Kottke I, Hönig K (im Druck) Improvement of maintenance and autochthones mycorrhization of beech (Fagus sylvatica L.) and oak (Quercus robur L.) plantlets by premycorrhization with Paxillus involutus (Batsch) Fr. in: Misra A (ed) Problems of Wasteland Development and Role of Microbes
  • Hönig, K, Kottke, I, Oberwinkler, F (1995) Steigerung der Leistungsfähigkeit und Vitalität von Pflanzgut aus Baumschulen. Abschlußbericht zum Forschungsprojket Ord.-Nr. 55-88.9 MLF, März 1995
  • Abschlußbericht

Fördernde Institution:MLR

Förderkennzeichen:    55 - 88 . 9


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