Agrarforschung
Bodenchemische Eigenschaften und Schwefelhaushalt von mäßig stark versauerten Paragneis-Standorten des Westschwarzwaldes –
Auswirkung waldbaulicher Strategien auf die chemischen Eigenschaften der Bodenfestphase
D. Zirlewagen und K. v. Wilpert, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt; Freiburg, Abteilung Bodenkunde und Waldernährung
1994-1996
Problemstellung
Waldökosysteme in Mitteleuropa verändern sich infolge anthropogener Einwirkungen und insbesondere infolge von Stoffeinträgen zum Teil mit erheblicher Geschwindigkeit. Hierbei differieren die Intensität von Basenausträgen und Versauerungsprozessen in Abhängigkeit von Bestandesstruktur und Baumart (v. WILPERT et al. 1996). Die dadurch angestoßenen bodenchemischen Veränderungen wirken sich in erster Linie in einer veränderten Zusammensetzung und Konzentration der im Bodenwasser gelösten und transportierten Stoffe aus. Mittel- und langfristige Veränderungen sind an Festphasenparametern wie z.B. der Zusammensetzung der im Boden austauschbar gespeicherten Elementmengen erkennbar. Manche Stoffe, die als Depositionen aus der Luft eingetragen werden, können in Waldböden zwischengespeichert werden, so z.B. Sulfat.
Anhand einer kleinräumigen Katasterbeprobung wurden in der Fallstudie Conventwald von strukturellen Effekten (Kronendichte und Baumart) abhängige Verteilungsmuster der chemischen Eigenschaften der Bodenfestphase untersucht.
Ziele
Durch eine hinreichend hohe Zahl von Probepunkten, an denen Bodenproben im gesamten Tiefenprofil entnommen werden sollten statistisch gut abgesicherte Muster der Tiefenverteilung von bodenchemischen Kenngrößen erarbeitet werden, die zum einen die unterschiedliche Depositionsgeschichte in den Untersuchungsvarianten der Fallstudie erkennbar machen und andererseits Ansatzpunkte für eine Prognose der weiteren Standortsentwicklung ermöglichen sollten.
Die kleinräumige Heterogenität bodenchemischer Kenngrößen sollte als Grundlage für die geostatistische Bewertung von bodenchemischen Unterschieden zwischen Bestandestypen und Strukturstraten innerhalb von Beständen herausgearbeitet werden.
Auf der Basis von räumlichen Mustern bodenchemischer Kenngrößen soll abgeschätzt werden, welche Prozesse aktuell die Standortsentwicklung wesentlich steuern. Erste Informationen zur unterschiedlichen Meliorationsbedürftigkeit in verschiedenen Bestandestypen auf gleichem Standort sollten herausgearbeitet werden.
Untersuchungsmethode
Das Untersuchungsgebiet befindet sich im Westabfall des Mittleren Schwarzwaldes im Übergangsbereich zwischen submontaner und montaner Höhenstufe. Das Ausgangsgestein ist tiefreichend periglazial aufgelockert und angewittert. Aus den dunklen Paragneisen haben sich tiefgründige, mäßig versauerte Braunerden entwickelt. Die atlantische Klimacharakteristik sorgt für eine gleichmäßige Wasserversorgung (Jahresniederschlag ca. 1400 mm, mittlere Jahrestemperatur 6.6°C).
Abb. 1 gibt einen Überblick über das Untersuchungsgebiet, das den östlichen Teil des ca. 15 ha großen Bannwaldgebietes "Conventwald" (Misch-bestandsvariante) sowie direkt benachbarte, unter Bewirtschaftung stehende Bestände (Reinbestands-varianten) umfasst.
In vier waldbaulichen Varianten sind 1996/97-Beprobungen der Bodenfestphase durchgeführt worden:
- im 160-jährigen Buchen-Tannen-Mischbe-stand(nur Buche, Nr. 1 in Abb.1)
- im 40-jährigen Fichten-Stangenholz (Nr. 4 in Abb. 1)
- im 40-jährigen Buchen-Stangenholz, (Nr. 5 in Abb. 1)
- im 80-jährigen Fichten-Baumholz (Nr. 6 in Abb. 1)
Abb. 1: Lageplan der Versuchsbestände in der Conventwald-Studie
Eine Schlüsselrolle im methodischen Ansatz der Conventwald-Studie spielt die konsequente Orientierung der Messapparatur an
makroskopischen Strukturelementen (v. WILPERT & MIES 1991, 1995; v. WILPERT et al. 1996), da Wasser- und Stoffflüsse in
Waldökosystemen maßgeblich von der räumlichen Heterogenität beeinflusst werden (BRECHTEL 1962, v. WILPERT 1990, IBROM
1993, KOCH & MATZNER 1993, PRÖBSTLE 1993, JENSSEN 1996). Kleinste Integrationsebene ist die Kronendichtesituation.
Ziel der Festphasenbeprobung war es daher, nicht nur ausgewählte Bestandesvarianten miteinander zu vergleichen, sondern auch die
kleinräumige Heterogenität der bodenchemischen Ausstattung
(Kronen-dichteeffekte) zu erfassen. In einer eingeschränkt
zufälligen Auswahl wurde die Lage der Bohrpunkte nach den Kronendichtestufen Kronenkern / Kronenlücke stratifiziert (Abb. 2).
Beim Bu-Stangen-holz musste jedoch auf eine Unterscheidung nach Kronensituationen verzichtet werden, da hier zum Zeitpunkt der Beprobung
das Kronendach weitgehend geschlossen war. Auch bei den übrigen Varianten musste durch den geringen räumlichen Anteil der
Baumlücken an den Bestandsflächen einen gewisse Clusterung der Bohrpunkte in den
Baumlückenstraten in Kauf genommen werden.
Im Bu-Ta-(Fi)-Mischbestand wurde aus Gründen der Laborkapazität nur die Hauptbaumart Buche beprobt. So betrug die Zahl der
beprobten Bodenprofile im Fichtenstangenholz 32, im Buchestangenholz 16, im Fichtenaltholz 20 und im Mischbestand 42 Profile.
Abb. 2: Überblick über die Lage der Bohrpunkte in den Untersuchungsvarianten.
An jedem Bohrpunkt wurde Bodenmaterial bis 100 cm Tiefe mit einem motormanuellem Erdbohrgerät (COBRA) entnommen. Das Substrat wurde in 4 Tiefenklassen eingeteilt (0-20, 21-40, 41-70, 71-100 cm Tiefe). Die Probenaufbereitung und Analyse erfolgte nach BZE-Standardverfahren (BUBERL et al. 1994)
Es wurden die effektive Kationenaustauschkapazität (AKe), die Gesamtgehalte der Elemente C, N, P und S sowie der pHH 2 O und der pHKC l ermittelt.
Ergebnisse
1. Die Kronendichte zeigt einen signifikanten Einfluss auf die Bodenacidität (Abb. 2). Unter Fichte zeigen die Kronenkerne
gegenüber den Kronenlücken eine pH-Absenkung um im Mittel bis zu 0.18 Einheiten, während unter Buche in diesen Bereichen
eine pH-Anhebung um durchschnittlich 0.12 - 0.16 Einheiten festzustellen ist. Dies lässt sich mit dem unterschiedlichen Stoff- und
Wasserdepositionsverhalten der Buchen- und Fichtenkronen erklären: Bei Fichte dürfte ein in den Kronenkernbereichen um 1/3
erhöhtes Stoffeintragsniveau
(v. WILPERT et al. 1996) zu einer Erhöhung der Flussraten an Anionen anorganischer Säuren (z. B. SO 42- ) und damit zu den pHH 2
O-Absenkungen unter den Kronenkernen führen.
Abb. 3: Einfluss der Kronensituation auf den pH H2O .- Signifikanz nach Dunnett-Test (* * * : a = 0.05)
Dagegen scheinen unter Buche v. a. erhöhte Wasser-Perkolationsraten in Kronenlücken eine Intensivierung der Bodenversauerung zu bewirken. Voraussetzung hierfür ist die verhältnismäßig geringe Stoffanreicherungswirkung der Buchenkrone und die Umverteilung von rund 20 bis 30 % der Stoffdeposition durch den Stammabfluss zum Kronenzentrum hin (v. WILPERT et al. 1996).
2. Der Einfluss der waldbaulichen Variante auf die chemischen Eigenschaften der Bodenfestphase ist erheblich und in den meisten Fällen statistisch gesichert.
Beim Bu-Stangenholz fallen gegenüber den anderen Varianten um 20 bis 50 % niedrigere Schwefel-Gesamtgehalte auf (Abb. 5). Dies steht im Einklang mit der baumartenbedingten Differenzierung der Depositionsraten (v. WILPERT et al. 1996). Signifikant sind die Unterschiede im gesamten Tiefen
verlauf (Abb. 4). Im Tiefenprofil der Schwefelkonzentrationen ist in 50 - 60 cm Tiefe eine Anreicherungszone im Mineralboden erkennbar, die in Bezug auf Schwefelvorräte noch ausgeprägter zu Tage tritt, da die Mineralbodendichte zwischen 10 cm und 60 cm Bodentiefe von ca. 0.6 g/cm 3 auf etwa 0.9 g/cm 3 ansteigt. Da Schwefel im Ausgangs-gestein nur in Spuren vorhanden ist, werden die Unterschiede im Schwefelvorrat auf Depositionseinflüsse zurückgeführt. Die Anreicherungszone im Mineralboden deutet auf die möglich Ausfällung und Zwischenspeicherung von Depositionsschwefel in Form von Aluminiumhydroxosulfaten hin. Der im Boden zwischengespeicherte Depositionsschwefel kann nach dem durch Luftreinhaltungsmaßnahmen erreichten Nachlassen von S-Einträgen noch über längere Zeiträume Belastungen im Sickerwasser auslösen.
Abb. 4: Tiefengradienten ausgewählter chemischer Parameter der Bodenfestphase. Streubalken = einfache Standardabweichung.
Analog verhält sich der Tiefenverlauf der Bodenacidität und Basen- bzw. Aluminiumsättigung
(Abb. 4 und 5): Die Basensättigung ist unter Fichte rund 2/3 sowie der pH-Wert um bis zu 1.2 Einheiten niedriger als im
Bu-Stangenholz. Unterhalb des Hauptwurzelraumes (> 60 cm Tiefe) liegen in allen
Varianten mit Ausnahme des Bu-Stangenholzes die pHH 2 O-Werte z. T. deutlich unter 5. Als Quelle dieser tiefreichenden Versauerung kommt
v. a. atmogene Deposition in Frage.
Nach dem pH (Abb. 5) sind die Mineralböden bei allen Varianten vorwiegend dem Austauscherpufferbereich zuzuordnen (ULRICH 1985).
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Eine Belegung der Kationenaustauscher beim Mischbestand und den Fi-Reinbeständen zu mehr als 90 % durch Aluminium zeigt jedoch, dass in diesen Varianten die Bodenversauerung schon sehr viel stärker durch Auflösung von ¾Si¾O-¾Al¾Si¾O¾ -Bindungen irreversibel fortgeschritten ist, als die Bodenreaktion allein andeutet. Dagegen zeigen im Bu-Stangenholz signifikant niedrigere Aluminium-Sättigungsgrade (<90 %) und signifikant höhere Protonen-Sättigungsgrade zwischen 40 und 100 cm Bodentiefe (Abb. 5), dass die Säurepufferung offensichtlich noch sehr viel stärker an variablen Ladungen erfolgt. In 85 cm Tiefe findet sich im Bu-Stangenholz noch eine Übergangssituation zwischen Silikat- und Austauscherpufferbereich (pHH 2 O = 5.11, Aluminium-Sättigung < 60 %), in 10 cm Tiefe erfolgt nur in dieser Variante die Säurepufferung noch nicht im Aluminium-Pufferbereich (Abb. 4).
Die Unterschiede im Bodenchemismus zwischen dem 40-jährigen Fi- und Bu-Stangenholz sind bemerkenswert, da beide aus demselben Vorbestand (ein Bu-Ta-Mischbestand) hervorgegangen sind, unmittelbar nebeneinander liegen (Abstand der Leitprofile 50 m) und von denselben ökologischen Startbedingungen vor 40 Jahren ausgegangen werden kann. Eine stärkere Bodenversauerung im Fi-Stangenholz durch eine vom Baumartenwechsel ausgelöste interne Versauerung kann für die heute messbaren Unterschiede im Bodenchemismus ausgeschlossen werden, da sie zu einer entsprechenden Verminderung des N-Gehalte geführt haben müssten, was nicht der Fall ist (Abb. 5).
Doch auch im 160-jährigen buchenreichen Mischbestand hat sich die bodenchemische Charakteristik in den letzten 4 Jahrzehnten auf
niedrigem Niveau nivelliert. Die Ausstattung der Austauscher mit Neutralkationen ist tendenziell sogar noch niedriger als bei den
Fi-Varianten (Abb. 4). Allein bei der Bodenacidität zeigen sich noch signifikant günsti-
gere Verhältnisse (Abb. 4 und 5).
Konsequenzen für die Praxis
In der Fallstudie Conventwald stellen anthropogene Stoffeinträge die wesentliche Triebkraft für die aktuelle Bodenversauerung dar. Die kleinräumige Variabilität der Bodenversauerung lässt sich zu hohen Anteilen als struktureller Effekt von Kronendichte- und/oder Baumartenunterschieden erklären.
Die Zwischenspeicherung von Depositionsschwefel in Form von metastabilen anorganischen Präzipitaten im mittleren und unteren Mineralboden stellt ein latentes Risiko für die Hydrosphäre dar, da dieser Zwischenspeicher nach Reduktion atmogener Schwefeleinträge noch über Jahrzehnte remobilisiert werden und eine Sulfatquelle für das Sickerwasser darstellen kann. Die Relation in der Höhe der im Boden zwischengespeicherten Schwefelmenge spiegelt die relativen Depositionshöhen zwischen den Untersuchungsbeständen der Conventwaldstudie größenordnungsmäßig wider.
Offensichtlich befinden sich Böden unter Laubholzbeständen und auf primär gut basenversorgten, aber kalkfreien
Ausgangssubstraten unter den in Südwestdeutschland wirkenden Rahmenbedingungen, zumindest teilweise, in einer "Übergangs-phase"
der Versauerungsgeschichte, in der depositionsbedingte Verschlechterungen der Standortsqualität mit hoher Dynamik ablaufen. Dieser zum
Teil sehr schnell verlaufende Verlust von Standortspotentialen lässt sich oftmals mit einer einmaligen, vergleichsweise niedrig
dosierten Kompensationskalkung nachhaltig stoppen. Es ist deshalb erwägenswert, in das Kalkungsprogramm des Landes neben stark
versauerten und entbasten Standorten gezielt auch frühere Übergangsstadien der Bodenversauerung einzubeziehen.
Literatur
Siehe Abschlußbericht
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