Agrarforschung
Einsatz von Flachs für faserverstärkte Kunststoffe
unter Ausnutzung der spezifischen Fasereigenschaften
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, Reutlingen/ Institut für Angewandte Forschung
R. Kohler und M. Wedler
April 1992 - Mai 1994
Problemstellung
Auf der Suche nach neuen Einsatzgebieten für Flachsfasern, die auch mengenmäßig interessant sind, sollen die Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz von Flachs als Verstärkungsfaser in SMC- und BMC-Halbzeugen bzw. Formteilen untersucht werden. Diese Formteile werden vielfältig eingesetzt, bevorzugt jedoch im Automobilbau, z.B. für Stoßfänger, und in der Elektroindustrie, z.B. für Gehäuse und Komponenten.
In der Industrie werden zwei unterschiedliche Produktgruppen gefertigt: BMC (Bulk Moulding Compound) und SMC (Sheet Moulding Compo-und), die zunächst als Halbfabrikat hergestellt werden. Sie bestehen zu ungefähr je 1/3 aus ungesättigten Polyesterharzen, Füllstoff Kreide und Verstärkungsfasern (Glas). Nach dem Compoundierprozeß ist die BMC- bzw. SMC- Masse noch klebrig. Es folgt eine mehrtägige Reifezeit, bei der die Paste eindickt.
Die beiden Produktgruppen unterscheiden sich im Herstellprozeß. Die BMC-Herstellung erfolgt in einem Kneter, die Verarbeitung erfolgt üblicherweise im Spritzgußverfahren.
Bei der SMC-Herstellung wird die Harzpaste auf Trägerfolien aufgerakelt, die Faser wird eingestreut. SMC wird üblicherweise in beheizten Stahlwerkzeugen zu Formteilen verpresst. Mit SMC erhält man höherwertige Formteile
Ziel
Als Verstärkungsfasern sollen nun Flachsfasern verwendet werden. Bei deren Einsatz ist zu beachten, daß sich die Fasern abhängig von der Art der Fasergewinnung und dem Aufschlußverfahren in ihren Abmessungen und Eigenschaften erheblich unterscheiden können.
Untersuchungsmethode
Es werden SMC- und BMC-Formteile gefertigt, wobei anstelle der üblichen Glasfaserverstärkung Flachsfasern verwendet werden. Des weiteren wurde die Rezeptur auf die spezifischen Bedürfnisse der Naturfasern hin adaptiert.
Ermittelt wird das Eigenschaftsprofil der flachsfaserverstärkten Formteile im Vergleich zur üblichen Glasfaserverstärkung.
Dazu gehören grundlegende Untersuchungen der Faserfestigkeiten, der Faser-Matrix-Haftung sowie der mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe.
Ergebnis
Flachs-BMC Formteile besitzen ein unzureichendes Eigenschaftsprofil, da aufgrund der großen spezifischen Oberfläche der Flachsfasern die Benetzung und homogene Verteilung schwierig ist. Sie kann nur durch eine Verlängerung der Knetzeiten erreicht werden. Dabei wird die Flachsfaser jedoch mechanisch geschädigt.
Bei SMC entfällt dieser Knetprozeß, daher sind die erzielten Ergebnisse besser. Sehr homogene Formteile mit einem insgesamt guten Eigenschaftsprofil erhält man durch Verpressen von mit der Harzmasse imprägnierten Vliesstoffen, wobei je nach Feinheit Faseranteile bis 45 Vol % möglich sind.
Betrachtet man das Eigenschaftsprofil von Glas- und Flachsfaserplatten fällt die um mehr als 30% höhere Zugfestigkeit der Flachsverbunde auf. Bei den übrigen Kenngrößen zeigt der glasfaserverstärkte Werkstoff bessere absolute Meßwerte. Bezieht man jedoch die höhere Dichte der Glasfaserverbunde mit ein und vergleicht die spezifischen Eigenschaften, so gleichen sich die Werte für Flachs und Glas weitgehend an. Glas besitzt noch eine etwas höhere Biegefestigkeit, die spezifische Zugfestigkeit der Flachsverbunde ist nunmehr doppelt so hoch wie bei der Glasvariante.
Alle Kunststoffverbunde mit Flachsfasern besitzen eine relativ hohe Wasseraufnahme. Das Wasser wird schnell aufgenommen und auch schnell wieder abgegeben. Diese Eigenschaft könnte für spezielle Anwendungen genutzt werden. Die mechanischen Eigenschaften ändern sich durch die Wasseraufnahme (durch Abnahme der Fasermatrix Haftung), nach der Trocknung werden die ursprünglichen Werte jedoch annähernd wieder erreicht.
Alle bisherigen Ergebnisse zeigen nicht nur, daß mit Einsatz von Flachsfasern Verbundwerkstoffe und technische Formteile mit guten Eigenschaften hergestellt werden können, sondern vor allem, daß in geeigneten Kombinationen auch ganz neue und vorteilhafte Eigenschaften erzielbar sind.
Konsequenz für die Praxis
Die Eigenschaften von Flachs-SMC bzw. Glas / Flachsmischungen müssen unter Produktionsbedingungen ermittelt und optimiert werden.
Industriell liegen die Glasfasern bei der SMC-Herstellung als Endlos-Rovings vor, die von einer Spule abgezogen, auf die gewünschte Länge (12-25 mm) geschnitten und dann auf die Harzpaste gerieselt werden. Ein direkter Austausch von Glas- durch Flachsrovings oder Flachsgarnen ist nicht möglich. Ein gangbarer Weg ist das vorherige Schneiden der Fasern, die dann auf die Harzpaste aufgestreut werden. In ersten Industrieversuchen konnten mit 4 mm langen Flachsfasern recht gute SMC-Compounds hergestellt werden, aber hier ist weitere Optimierung nötig.
Die Verwendung von Flachs erfordert eine Adaption des Produktionsprozesses, die noch weiter ausgelotet werden muß.
Literatur:
Abschlußbericht, Juni 1994
Fördernde Institution: MLR |
Förderkennzeichen: 22 - 92 . 12 |